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Michael Molsner 
UM ALLES IN DER WELT 
Roman

Von Michael Molsner 

Anfang März 1915 in Berlin. Der Linkspublizist Dr. Alexander Helphand Parvus legt dem Referenten für Politische Kriegführung Riezler ein Exposé vor, das auf 23 groß beschriebenen Seiten (14 Druckseiten) erklärt, wie das Deutsche Reich den ersten Weltkrieg duch eine diplomatische Geheimaktion gewinnen kann – obgleich der Krieg militärisch bereits verloren ist (Schlieffenplan gescheitert). 

Alexander Helphand Parvus

Für dieses Exposé einer geheimen oder – wie man damals sagte – „okkulten Aktion“ wurden Parvus vom Auswärtigen Amt knappe drei Wochen später, also schon Ende März, eine Million Reichsmark ausbezahlt. Die Summe würde nach heutiger Kaufkraft etwa zehn bis zwölf Millionen betragen. Selbst für einen Grisham, einen Crichton ein nicht alltäglicher Vorschuß auf zu erbringende Leistungen. 

Deutsche Diplomaten befürworteten die okkulte Aktion mit leidenschaftlichstem Nachdruck. Ihre Prognose: Wir vernichten Rußland als Großmacht und haben auf Generationen hinaus im Osten Ruhe. Diese Einschätzung hat sich (mit Verspätung) als zutreffend erwiesen – Rußland liegt auf absehbare Zeit am Boden. 

Lenin wurde auf Vorschlag von Parvus unter der Supervision Riezlers und durch tatkräftigste Mitarbeit deutscher Gesandtschaften nach Rußland in Marsch gesetzt. Er beendete die demokratische Revolution Kerenskis und ersetzte sie auftragsgemäß durch die „Diktatur des Proletariats“. Lenins große Hoffnung: Wir wollen aus dem armen Mütterchen Rassja ein reiches Land machen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Sie muß als widerlegt gelten. 

Der deutsche Generalstab erhoffte sich von Lenins Revolution eine Schwächung der russischen Wehrkraft. Diese Hoffnung erfüllte sich kurzfristig: Rußland mußte 1918 den nachteiligen Frieden von Brest-Liwowsk akzeptieren. Sie trog mittelfristig: Stalin rüstete erfolgreich auf und dominierte Europa von 1943 bis mindestens 1953. Sie erfüllte sich langfristig: heute ist Rußland auch militärisch keine Weltmacht mehr. 

Das deutsche Auswärtige Amt unter dem Kaiser wie in der Republik (bis zum Tode Eberts) machte große Anstrengungen, um den Bolschewismus nicht etwa zu schwächen, sondern zu stärken. Nur dadurch sei der Osten langfristig niederzuhalten und als Rohstofflieferant wie als Markt für Fertigwaren wertvoll, glaubte man. Der Antikommunismus wurde von der deutschen Diplomatie für die Grundtorheit des Jahrhunderts gehalten, für eine politische Eselei. 

Ein Protagonist des AA war Graf Brockdorff-Rantzau. Als Gesandter in Kopenhagen unterstützte er Lenins Bolschewiki bis zur Revolution in Moskau, um Rußlands Ausscheiden aus der Kriegsallianz gegen das Deutsche Reich herbeizuführen. Er vertrat die Weimarer Republik bis zu seinem Tod als Botschafter in Stalins Sowjetunion, um den Niedergang des Riesenreiches durch Unterstützung der KPDSU zu sichern. 

Die Spitzen der SPD wußten von dieser Geheimpolitik und trugen sie mit. Daß sie alles tun wollten und tun mußten, um Deutschland nicht in den Strudel der kommunistischen Weltbewegung geraten zu lassen, liegt auf der Hand. Daß sie den Kommunismus in gegnerischen Staaten stets unterstützten, ist ebenfalls logisch und zwangsläufig: Gegner schwächt man. 

Dies alles blieb lange Zeit Staatsgeheimnis. Auch heute will kaum jemand davon wissen.. Die Linke scheut vor der grausamen Wahrheit zurück. Die Rechte will nicht auch noch für Lenin veranwortlich sein, sie hat an Hitler schwer genug zu tragen. 

Werden Fakten sich durchsetzen oder bleiben Illusionen unsere Lehrmeister?  

Michael Molsner: 
UM ALLES IN DER WELT 
Roman, 250 Seiten 
Oktober Verlag Münster 
ISBN 3-935792-50-6