Der Streit um Riezlers Tagebücher 

*Der Streit um die Riezler-Tagebücher*

UM ALLES IN DER WELT basiert auf verschiedenen Quellen. Dazu gehören auch die Riezler-Tagebücher, um deren „Echtheit“ ein erbitterter Streit geführt wurde. Was hat „Echtheit“ bzw. „Fälschung“ in diesem Zusammenhang zu bedeuten? Natürlich nicht, daß jemand in der Art Kujaus die Tagebücher erfunden hätte.

Vielmehr haben Riezler und nach seinem Tod seine Verwandten die authentischen Tagebücher nachträglich redigiert. Daß dabei auf den Schutz der Intimsphäre geachtet wurde, muß bis zur vollständigen Freigabe aller Originale angenommen werden. Es würde an den politischen Aussagen nichts ändern.

Den Bearbeitern wird unterstellt, sie hätten die Beantwortung der „Kriegsschuldfrage“ im deutsch-nationalen Sinne beeinflußt. Wer die Tagebücher liest, wird sehen, daß Deutschlands Verantwortung für den Kriegsausbruch nicht geleugnet, sondern betont wird.

Der Streit unter den Historikern wird verständlicher, wenn berücksichtigt wird, daß die Debatte vor dem Ende des Kalten Krieges stattfand. „Linke“ und „Rechte“ kämpften mit einer Erbitterung, die heute nicht mehr angebracht ist und einer vergangenen Epoche angehört, um die Deutungshoheit über die Geschichte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand gar nicht Riezler, sondern Fritz Fischer, dessen längst als Grundlagenlektüre verbreitetes und als bedeutend anerkanntes Buch GRIFF NACH DER WELTMACHT damals noch umstritten war.

Wer in Riezlers Tagebüchern – bearbeitet oder nicht – nach einer Beschönigung der deutschen Mitverantwortung an der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ sucht, wird enttäuscht sein.